Randale, Morde, Kriege: Warum viele so wütend sind
Randale, Anschläge und gefühlt jeden Tag ein Mord: Fragen Sie sich auch, was denn eigentlich los ist mit unserer Gesellschaft? Haben Sie auch den Eindruck, dass viele immer schneller wütend werden und die Fassung verlieren? Damit haben Sie Recht: Die Menschen sind zuletzt tatsächlich wütender als noch vor einigen Jahren. Warum das so ist und was ein jeder für sich tun kann, um wieder mehr ins Gleichgewicht zu kommen? Wir haben nachgefragt.
Ja, viele sind wütend. Und wütender. Warum? Wenn man mit Coach Dr. Roman Braun spricht, ist die Sache schnell erklärt:
Einfach gesagt steckt hinter unserer Wut Frustration. Und hinter dieser Frustration ein Bedürfnis – konkret ein unerfülltes bzw. eines, deren Ersatzbefriedigung uns nicht geben kann, was die wahre Erfüllung bringen würde. Und unserem Bedürfnis sind wiederum Gefühle wie Angst vorgelagert.
Warum nun also gefühlt die ganze Menschheit immer wütender geworden ist, hängt mit unseren Lebensumständen zusammen.
Nicht zuletzt seit Corona leben wir die letzten Jahre in Angst und Unsicherheit: Einschränkungen, Einsamkeit, Angst vor dem Tod, konfrontiert mit Verlust und dem Gefühl, jeder sei des anderen ansteckenden Feind, mit Maske und Impfung. Quasi übergangslos ging es weiter mit Ukraine-Krieg, Gewalt, Unsicherheit, wirtschaftlichen Sorgen, Teuerungen, Verlusten, Existenzängsten.
Die fehlende Auflösung
Dabei wurde bisher keines der Angstthemen wirklich aufgelöst. „In der Pandemie haben wir gelernt, dass jeder ein Gefährder des anderen ist“, sagt Braun, „diese Distanz zu anderen, die sich dadurch ergeben hat, ist noch da. Diese Suggestion wurde in Wahrheit nie zurückgenommen.“
Warum es uns alle irgendwie trifft
Und er meint damit etwa rund um die Uhr verfügbare Filme statt (Gruppen-)Sport, Pornos statt Dating, aufgemotzte Instagram-Fotos statt gemeinsamer Abenteuer, WhatsApp-Smiley-Dialoge statt realer Freunde-Treffen, realitätsferne Facebook-Blasen statt richtige Stammtisch-Diskussionen. Und das zieht sich hin bis zu simulierten Händen, die an Pflege- und Krankenbetten menschliche Berührungen vortäuschen.
Somit bleibt unser Bedürfnis nach menschlicher Nähe, freudvollen Erlebnissen, Liebe und Geborgenheit, aber auch nach Sicherheit und Beständigkeit, Frieden und Zukunft unerfüllt.
„Das sorgt generell für ein höheres Frustrationslevel innerhalb der Gesellschaft“, weiß Braun. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass psychische Erkrankungen steigen, dass das Depressionseintrittsalter bei Mädchen mittlerweile bei 14, statt wie vor fünf Jahren noch bei 18, 19 Jahren liegt.
Ersetzt und abgelenkt wurde schon eher: So gingen statt der Nähe zu Mitmenschen z.B. die Streaming-Zahlen in die Höhe. „Unsere Welt ist über die Jahre generell besser geworden, uns Ersatzhandlungen anzubieten“, sagt Braun.