DR. ROMAN BRAUN IN DER „WIENER ZEITUNG“

Plötzlich langzeitarbeitslos

Vor bald einem Jahr wurde der erste Corona-Lockdown ausgerufen und unzählige Geschäfte schlossen. Viele Menschen sind bis heute arbeitslos. Um sich selbst nicht aufzugeben, braucht es eine Strategie.

Erstmals seit 1945 sind mehr als eine halbe Million Menschen arbeitslos oder in Schulung. Für viele kam die Arbeitslosigkeit plötzlich, einige wird es vermutlich am Ende der staatlich unterstützen Kurzarbeit noch treffen. Und ein großer Teil ist aufgrund des ersten Corona-Lockdowns ab 16. März des Vorjahres nicht nur für einige Wochen oder Monate in die Arbeitslosigkeit geschlittert, sondern für bald ein ganzes Jahr. Sie gelten somit als langzeitarbeitslos: Deren Anzahl lag Ende Dezember laut Arbeitsmarktservice (AMS) bei rund 137.000, was einem Plus von 37,3 Prozent gegenüber dem Jahr davor entspricht. Bei der Gesamtzahl der Arbeitslosen lag das Plus im Vergleich zu Ende 2019 bei knapp 28 Prozent. Gerade für Langzeitarbeitslose wird es mit jedem Tag schwieriger, eine passende Stelle zu finden. „Die Kombination von Lockdown und Arbeitslosigkeit bedeutet für viele ein Metadrama“, sagt dazu der Psychologe und Mentalcoach Roman Braun, der auch Geschäftsführer von Trinergy International ist.“Das setzt eine Abwärtsspirale in Gang.“

,,Sucht Schuld bei sich
Das Fatale dabei: „Wenn man seinen Job im Lockdown verliert, verliert man damit viele seiner sozialen Kontakte“, sagt Braun im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“ Diese Kontaktemotionen, wie Braun sie nennt, seien aber notwendig, um rege zu bleiben und zwar auch die negativen, also wenn man sich zum Beispiel über einen Kollegen oder seine Chefin aufregt.

Und: „Der Betroffene sucht die Schuld für seine Arbeitslosigkeit bei sich, weil im Vorfeld nicht ausreichend über diese ‚Nebenwirkung‘ des Lock-downs aufgeklärt wurde. „Hilflosigkeit, Kontrollverlust und Angst, geschürt durch gefährdete Grund- und Existenzbedürfnisse, seien die Folge. Alles schlechte Voraussetzungen dafür, bei einem Vorstellungsgespräch selbstsicher aufzutreten und damit die Chancen auf die neue Stelle zu erhöhen. Denn Arbeitslosigkeit beeinträchtige sämtliche menschlichen Bedürfnisse und Motivationen, begonnen von physiologischen und Sicherheitsbedürfnissen bis hin zur Selbstverwirklichung, so Braun. Sie könnte daher zusätzlich eine posttraumatische Belastung auslösen. Daher sei es unumgänglich und wichtig, gewisse Punkte zu beachten, sobald man plötzlich arbeitslos und vielleicht sogar langzeitarbeitslos ist. Wichtig sei, sein Schicksal zu akzeptieren und es nicht als Ergebnis eines persönlichen Defizits zu sehen. Außerdem solle man „Die Größenordnung bewahren“, sagt Braun: Aufgrund der sozialen Unterstützungen seien die Grundbedürfnisse nicht per se gefährdet und mitunter biete sich die Möglichkeit der Fort- und Ausbildung. Essenziell sei jedoch, seinem Leben weiterhin Struktur und Ordnung zu geben, ein Tagesskelett, an dem man sich orientiert.“ Man sollte etwa siebenhalb Stunden schlafen, zu einer fixen Zeit aufstehen und jeden Tag gewisse Programmpunkte wie Sport nach dem Frühstück absolvieren“, sagt Braun. Ein Punkt solle auch sein, etwas für einen Menschen zu tun, dem es noch schlechter gehe als einem selbst. Bedenklich sei, „wenn man zu Mittag noch Pyjama trägt“.

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