Dr. ROMAN BRAUN AUF „WEEKEND.AT“

Ehe – AUS mit 50 plus

GREY DIVORCE. Rund 14.000 Paare endeten 2023 vor dem Scheidungsrichter. Immer mehr Ehen scheitern
nach langer trauter Zweisamkeit. Warum steigt die
Trennungsrate in der Generation Silberhochzeit?Beziehungsexperten erklären den Trend.

Seit den 2000er-Jahren greift ein neues Phänomen in der Welt der Beziehungen um sich: die „graue Scheidung“. Dieser Begriff unterschreibt das Ende des „ewigen Bundes“ bei Menschen die den 50. Geburstag bereits hinter sich gebracht haben. Während die Vorstellung, dass Paare nach oftmals jahrzenterlanger Ehe mehr oder weniger plötzlich auseinadergehen, für manche überraschend sein mag, sind Beziehungsforscher längst den dahinter liegenden Erklärungsmustern auf der Spur. Nicht ohne Grund: Die Zahl der Betroffenen steigt. Knapp ein Viertel der Scheidungen passiert laut Zahlen der Statistik Austria bereits jenseits der Lebensmitte.

Emanzipation statt Ehe-Druck

Einer der Hauptfaktoren, die zum Anstieg der Grey-Divorce-Rate beitragen, ist die Veränderung der sozialen Akzeptanz von Scheidung und die Neudefinition von Geschlechterrollen, sagt Psychologe und Coach Roman Braun. „in früheren Generationen wurden Paare oft durch sozialen und religiösen Druck gezwungen in unglückliche Ehen zu verharren“. Heute hingegen fühlen sich Paare freier in der Entscheidung, sich zu trennen, wenn die Ehe als nicht mehr erfüllend empfunden wird. Diese veränderte soziale Dynamik schafft neben der Chance auf Selbstverwirklichung auch Stress (siehe Interview). Selbst für längst flügge gewordene Kinder. Diese müssten die Trennung der Eltern an die eigene Familienstruktur anpassen, so der Experte. Emotional besonders herausfordernd, wenn beim eigenen Nachswuchs plötzlich viele Fragen nach Oma und Opa lauten.

Entfremdung

Während in jüngeren Jahren finanzielle Instabilitat oder Untreue zur Scheidung führen, unterscheiden sich die Motive älterer Paare. Für Silver Ager sind vermehrt emotionale und persönliche Differenzen auschlaggebend. Einmal auseinandergelebt*, droht das Ehe-Aus. Braun: „Nach Jahrzehnten kann es schwierig sein, sich weiterzuentwickeln und verbindende Interessen zu finden.“

Vermögen als Achillesferse

Streitpotenzial birgt die im Vergleich zu jüngeren Scheidungskandidaten meist komplexere gemeinsame Vermögensgeschichte, Gewohnter wie lieb gewonnener Lebensstandard, Besitz, Unterhalt und Vorsorge: Hier geht es ans Eingemachte. Auch die Angst vor Altersarmut treibt viele um – und verschärft psychische Belastungen. „Eine frühzeitige finanzielle Beratung ist hier sicher noch von größerer Bedeutung, um den Übergang in die neue Lebensphase zu erleichtern“, legt Braun Betroffenen nahe.

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